Reden

Rede in der Stadtratssitzung vom 11.06.2021 zur E‑Petition “Neues Rathaus? Die Bürger sollen entscheiden!”

Meine Rede­manuskript aus der Stad­tratssitzung am 11. Juni 2021 zum Tage­sor­d­nungspunkt 44: E‑Petition “Neues Rathaus? Die Bürg­er sollen entschei­den!”. Der Text weicht von der gesproch­enen Rede ab.

Sehr geehrter Herr Ober­bürg­er­meis­ter,

meine Damen und Her­ren,

uns liegt eine Peti­tion mit 10.983 Unter­schriften vor, die einen Bürg­er­entscheid über den Bau des Pres­tige­pro­jek­ts „Ver­wal­tungszen­trum am Fer­di­nand­platz“ fordert. Damit soll „die Entschei­dung über die wirk­lichen Pri­or­itäten der Stadt den Bürg­ern“ zurück­gegeben wer­den. Die Peti­tion wurde in den Auss­chüssen u.a. gegen die Stim­men der AfD ver­wor­fen. Was nützt es den Bürg­ern da noch, wenn man zugle­ich beschließt, mit ihnen reden zu wollen oder die Stel­lung­nahme der Ver­wal­tung im Amts­blatt abdruckt? Auch die beste Bürg­er­belehrung kann eine Bürg­er­entschei­dung nicht erset­zen.

Bei uns trifft die Ablehnung der Peti­tion auf Unver­ständ­nis. Das Anliegen des Bürg­er­entschei­ds ist wed­er nicht umset­zbar noch unsin­nig. Nein, man ist dage­gen, weil man sich um jeden Preis ein Denkmal in der Stadt­geschichte set­zen will. Da spielt es auch keine Rolle, dass in der Innen­stadt die Läden rei­hen­weise dicht machen, wir pünk­tlich nach der Bun­destagswahl von ein­er nie dagewe­se­nen Pleit­ewelle über­rollt wer­den und viele Dres­d­ner Fam­i­lien nach wie vor um ihre Exis­tenz ban­gen. Über explodierende Kosten, Lief­er­eng­pässe bei Bau­ma­te­ri­alien und die anziehende Infla­tion wollen wir jet­zt gar nicht erst reden.

Wenig­stens kann das neue Ver­wal­tungszen­trum im Gegen­satz zum Flughafen Schöne­feld nicht in Insol­venz gehen. Eine lebendi­ge Demokratie, die diesen Namen auch tat­säch­lich ver­di­ent und nicht nur Schein und Fas­sade ist, stelle ich mir anders vor.

Ich frage Sie deshalb: Haben Sie Angst vor den Bürg­ern dieser Stadt? Haben Sie Angst davor, am Ende kön­nte bei dem Bürg­er­entscheid etwas her­auskom­men, was Ihnen nicht gefällt? Haben Sie Angst davor, dass dann nie­mand in Südafri­ka vor die Presse tritt und verkün­det, das die Wahl jet­zt rück­gängig gemacht wer­den muss? Haben Sie Angst davor, es kön­nte Ihnen sowie in Halle erge­hen? Da wurde jüngst der Stad­trats­beschluß zu ein­er aut­ofreien Innen­stadt per Bürg­er­entscheid mit über 60 Prozent der Stim­men gekippt. Auch die Dres­d­ner haben bere­its einige grundle­gende Entschei­dun­gen für ihre Stadt selb­st getrof­fen:

  • 2012 stimmten fast 85 Prozent für den Verbleib der Kranken­häuser im städtis­chen Eigen­tum
  • 2005 sprach sich eine Zwei­drit­telmehrheit für den Bau der Wald­schlößchen­brücke aus (68,6 % in der Äußeren Neustadt).
  • 1995 stimmten rund zwei Drit­tel für den Bau der A17.

Drei in der Umset­zung teure Entschei­dun­gen mit weitre­ichen­den Kon­se­quen­zen für unsere Stadt. Warum soll­ten wir also dies­mal der Weisheit unser­er Bürg­er miß­trauen? Ich befürchte, dass einige von Ihnen hier dem Trugschluß aufge­sessen sind, sie hät­ten in dieser Stadt das Sagen. Ich muss Sie da lei­der ent­täuschen. In ein­er Demokratie ist nicht der mit Steuergeld bezahlte Poli­tik­er der Chef. Auch nicht die Ver­wal­tung. Allein der Sou­verän – in unserem Fall die Dres­d­ner Bürg­er – hat das Sagen. Wir haben diesen Bürg­er­willen nur umzuset­zen. Der Bürg­er ist der Chef des Poli­tik­ers, nicht ander­sherum.

In den let­zten Jahren hat sich ein gewiss­er Pater­nal­is­mus in der Poli­tik bre­it­gemacht: Nach dem Mot­to „Wir wis­sen, was gut für Euch ist. Ihr habt nur unsere Wahrheit noch nicht erkan­nt.“ Wir sitzen hier nicht im Rat, um jeman­den zu bekehren und zur moralis­chen Erlö­sung zu führen. Wer das will, sollte eine Reli­gion stiften, der Poli­tik aber fern­bleiben. Deshalb ist die AfD der Überzeu­gung, dass Deutsch­land auf allen poli­tis­chen Ebe­nen deut­lich mehr direk­te Demokratie braucht und dort, wo sie schon möglich ist, eifrig davon Gebrauch machen soll­ten.

Wir sprechen uns für die Durch­führung eines Bürg­er­entschei­ds zum Neubau des Ver­wal­tungszen­trums am Fer­di­nand­platz aus und wer­den dem Erset­zungsantrag der Linken zus­tim­men.