
Anfrage zur Notfallplanung im Falle eines langanhaltenden Stromausfalls (»Blackout«)
Die Gefahr eines überregionalen und länger andauernden Stromausfalls („Blackout«) wird von Jahr zu Jahr größer. Hintergrund können unsichere erneuerbare Energien, extreme Unwetter, technische Defekte oder Angriffe von außen sein. In der Folge sind weitreichende Ausfälle der Telekommunikations‑, Wasser‑, Abwasser‑, Lebensmittel- und Gesundheitsversorgung und weiterer Infrastruktur zu erwarten.
Mein Fraktionskollege Wolf Hagen Braun hat sich in einer Anfrage (AF0301/20) nach der Notfallplanung in Dresden erkundigt. Hier die Antwort des Oberbürgermeisters vom 13. Februar 2020:
1. Welche Maßnahmen hat die Landeshauptstadt Dresden ergriffen,um das Funktionieren unverzichtbarer Verwaltungsstrukturen im Falle eines Blackouts zu gewährleisten (Vorhaltung dieselbetriebener Notstromaggregate und ähnliches)?«
Vorauszuschicken wäre, dass nachfolgend unter dem Begriff „BLACKOUT-Szenario« ein großflächiger, mehrere Tage andauernder Totalausfall der Stromversorgung verstanden wird. Sollte ein solches Ereignis eintreten, würde die Landeshauptstadt Dresden, sobald absehbar ist, dass das gesamte Stadtgebiet für mehrere Tage stromlos bleiben wird, den Katastrophenfall feststellen, da davon auszugehen ist, dass die Landeshauptstadt Dresden ihren Aufgaben dann nicht mehr in vollem Umfang nachkommen kann.
Ihre Aufgaben werden die Organisationseinheiten der Landeshauptstadt Dresden in einem BLACKOUT-Szenario nur noch insoweit wahrnehmen können, wie sie eine entsprechende Eigenvorsorge getroffen haben, d. h. Vorkehrungen getroffen haben, um Arbeitsprozesse auch ohne elektrischen Strom durchführen zu können, oder geeignete Insellösungen vorbereitet haben, die ihnen eine Fortsetzung ihrer Tätigkeiten erlauben.
Die Organisationseinheiten der Landeshauptstadt Dresden wurden deshalb bereits im Jahr 2017 beauftragt, diejenigen ihrer Aufgaben festzulegen, die zwingend während eines BLACKOUT Szenarios wahrgenommen werden müssen, und Festlegungen zu treffen, wie die eigene Arbeitsorganisation daraufhin anzupassen sei.
2. „Wie wird in diesem Falle die unmittelbar zur Daseinsvorsorge benötigte Infrastruktur, wie zum Beispiel die Wasserversorgung ‚aufrechterhalten (Tankwagen, Notbrunnen oder ähnliches)?«
Die Landeshauptstadt Dresden arbeitet gegenwärtig gemeinsam mit der DREWAG Netz GmbH an einer Konzeption, wie die Wasserversorgung der Bevölkerung im BLACKOUT-Szenario dauerhaft aufrechterhalten werden kann.
3. „Auf welchem Wege können die Bürger bei einem Blackout und dem als Folge davon fast sofortigen Zusammenbruch der Kommunikationsstruktur (Festnetz, Mobilfunk, Internet) Notfalleinrichtungen wie Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienst erreichen?«
In einem BLACKOUT-Szenario wird eine Erreichbarkeit von Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienst nach aktueller Einschätzung über sämtliche mobilen und stationären Objekte, die über SOS-Funk-Technik verfügen, möglich sein, also über alle Polizeidienststellen, alle Wachen der Berufsfeuerwehr und der Stadtteilfeuerwehren sowie über deren jeweilige Einsatzfahrzeuge.
Die Landeshauptstadt Dresden wird ferner zwischen ihren zentralen Verwaltungsstandorten und den Stadtbezirksämtern und örtlichen Verwaltungsstellen ein Meldersystem aufbauen, um innerhalb der eigenen Organisationsstruktur einen zwar auf das Notwendigste reduzierten, aber geregelten Informationsfluss einrichten zu können.
Der zu erwartende Zusammenbruch aller stromgestützten Kommunikation dürfte jedoch den am meisten problematischen Aspekt eines BLACKOUT-Szenarios darstellen, denn es ist unstrittig, dass der Verlust an Umfang und Dichte der unter heutigen „normalen« Lebensbedingungen möglichen Kommunikation nicht annähernd durch Vorsorgemaßnahmen kompensiert werden kann.
3. „Gibt es im Stadtgebiet Tankstellen mit Notstromaggregat, die von den Rettungs- und Einsatzkräften während eines Blackout genutzt werden können und wie lange reichen diese Vorräte? Falls es derartige Tankstellen im Stadtgebiet nicht gibt: Wie und für wie lange ist die Treibstoffversorgung für die Einsatzkräfte sichergestellt?«
Für das BLACKOUT-Szenario wurde ein Besonderer Alarm- und Einsatzplan nach dem Sächsischen Brandschutz‑, Rettungsdienst- und Katastrophenschutzgesetz erarbeitet, in dem das Handeln der Landeshauptstadt Dresden in ihrer Funktion als untere Katastrophenschutzbehörde vorbereitet wurde.
Darin wurde auch die Treibstoffversorgung für Fahrzeuge der Einsatzkräfte berücksichtigt und planerisch grundsätzlich sichergestellt. Wie lange dies im Ereignisfall möglich sein wird, ist abhängig von den jeweils schwankenden Füllständen der betreffenden Treibstofftanks bzw. vom Funktionieren einer überörtlichen Nachschublogistik, weshalb hierzu keine verlässlichen Aussagen getroffen werden können.
4. „Sind in den Stadtteilen - wie in österreichischen Gemeinden - Notfallzentren zur Aufnahme von Bürgern in öffentlichen Gebäuden vorgesehen, die auf Grund eines blackoutbedingten Heizungsausfalls im Winter ihre ausgekühlten Wohnungen verlassen müssen?«
Im Rahmen der Katastrophenschutzplanung wurden im gesamten Stadtgebiet Objekte identifiziert, in denen im Bedarfsfall Personen in Sammelunterkünften untergebracht werden können. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um Schulturnhallen. Diese Planungen wurden ereignisunabhängig vorgenommen und sind bereits wiederholt zur Anwendung gekommen, zuletzt bei den Evakuierungsmaß nahmen im Zusammenhang mit realen oder vermeintlichen Kampfmittelfunden.
Auch bei Eintritt eines BLACKOUT-Szenarios würde auf diese Planungen zurückgegriffen werden, wobei sich die konkrete Auswahl der Evakuierungsobjekte dann nach den vorherrschenden, realen Gegebenheiten richten würden (welche Objekte verfügen aktuell über eine Möglichkeit zur Notstromeinspeisung, welche werden ggf. gerade umgebaut oder saniert, wo sollten sie disloziert sein usw.).
5. „Sieht die Stadtverwaltung die Vorsorge der Dresdner Bürger im Hinblick auf einen großflächigen, länger andauernden Stromausfall als ausreichend an? Falls nicht: Welche Maßnahmen sind zur Stärkung der Resilienz der Bürger noch zu ergreifen?«
Der Umfang, in dem Dresdner Bürgerinnen und Bürger hinsichtlich eines BLACKOUT-Szenarios Eigenvorsorge treffen, ist das Ergebnis einer persönlichen Risikobewertung und individuellen Entscheidung. Diese zu beurteilen obliegt der Landeshauptstadt Dresden nicht.
Die Landeshauptstadt Dresden unterstützt jedoch die entsprechenden Informations- und Aufklärungsmaßnahmen des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katstrophenhilfe, die im Internet auf dessen Homepage https://www.bbk.bund.de abgerufen werden können. Dort liegt auch eine einschlägige Broschüre zur kostenlosen Bestellung oder zum Download bereit.
6. „Gibt es im Falle eines Ausfalls der digitalen Stromregelungs- und -steuerungseinrichtungen eine analoge, funktionsfähige Rückfalllösung?«
Diese Frage wäre an die Netzbetreiber zu richten, die Landeshauptstadt Dresden kann hierzu keine Aussagen treffen.
Antwort (auf Nachfrage) vom 16. März 2020:
1. Ist die Festlegung der Aufgaben, die zwingend während eines Blackouts wahrgenommen werden müssen, bereits durch die Organisationseinheiten der Landeshauptstadt Dresden abschließend erfolgt? Zu welchem Ergebnis kamen die Festlegungen bzw. welche Vorkehrungen wurden getroffen, um die Arbeitsprozesse auch ohne elektrischen Strom durchführen zu können?«
Dieser Prozess ist eingebettet in die dauerhaften Aufgaben der Landeshauptstadt Dresden.
Die Strukturen, Abläufe und Arbeitsbedingungen innerhalb der Verwaltung sind ebenso der Ver änderung unterworfen wie der Umfang der den jeweiligen Organisationseinheiten übertragenen Aufgaben, deren EDV-Abhängigkeit und Wechselwirkungen. Die Möglichkeiten der eigenen Arbeitsfähigkeit unter BLACKOUT-Bedingungen werden deshalb in den Organisationseinheiten fortlaufend betrachtet und es liegt in der Verantwortung der jeweiligen Amtsleiterinnen und Amtsleiter, die für notwendig gehaltenen Anpassungen aktuell vorzunehmen. Eine stichtagsbezogene Gesamtübersicht hierzu gibt es nicht.
2. „Wann ist mit einem Ergebnis aus der gemeinsamen Konzeption mit der DREWAG Netz GmbH zur Wasserversorgung bei einem Blackout-Szenario zu rechnen? Wird der Stadtrat über das Ergebnis informiert?«
Dem Stadtrat wird im Rahmen einer Beschlussvorlage die Entscheidung über die in Umsetzung dieser Konzeption zu tätigenden Investitionen vorgelegt werden. Nach gegenwärtigem Bearbeitungsstand ist damit in der zweiten Jahreshälfte 2020 zu rechnen.
3. „In der Antwort bei Frage 3 heißt es: „Die Landeshauptstadt Dresden wird ferner zwischen ihren zentralen Verwaltungsstandorten und den Stadtbezirksämtern und örtlichen Verwaltungsstellen ein Meldesystem aufbauen, um innerhalb der eigenen Organisationsstruktur einen zwar auf das Notwendigste reduzierten, aber geregelten Informationsfluss einrichten zu können. Wie weit ist der Aufbau dieses Meldesystems bereits fortgeschritten und wann ist mit der Fertigstellung und vollen Einsatzbereitschaft zu rechnen?«
Einsatzbereit wird dieses Meldesystem erst im Ereignisfall sein. Die Planungen sind insoweit abgeschlossen, als dass über alle Organisationseinheiten der Stadtverwaltung hinweg ein Pool an Kraftfahrzeugen und Kraftfahrern festgelegt wurde, die für die Wahrnehmung dieser Aufgaben vorgesehen sind. Welche Objekte dann im Ereignisfall auf welchen Wegen oder Zyklen angefahren werden, wird in Abhängigkeit der Lage operativ entschieden.
Erlauben Sie an dieser Stelle einen allgemeinen Hinweis auf den Charakter von Katastrophen schutzplanungen: Der allgemeine Katastrophenschutzplan und die besonderen Alarm- und Einsatzpläne nach § 36 Abs. 1, Nr. 5 SächsBRKG beinhalten weniger ausdifferenzierte, komplexe Ablaufschemata, als vielmehr die Zusammenstellung von Handlungsoptionen, die im Ereignisfall flexibel zur Anwendung gebracht werden können. Insofern ist die Planungstiefe im Katastrophenschutz regelmäßig nicht bis in alle zu veranlassenden Maßnahmen untersetzt, sondern bietet Spielraum, um auf die Singularität der Lage reagieren zu können. Dieser Spielraum wird im Ereignisfall durch die bei Katastrophen(vor)alarm zusätzlich einzurichtende Führungsorganisation nach § 50 f. SächsBRKG und deren nachgeordnete Strukturen genutzt.
4. „Welche Objekte der Landeshauptstadt Dresden verfügen aktuell über eine Möglichkeit zur Notstromeinspeisung, welche werden ggf. gerade umgebaut oder saniert, welche Ob jekte sollen in den kommenden 24 Monaten zusätzlich mit der Möglichkeit zur Notstromeinspeisung ausgerüstet werden?«
Die sechs gebäudeverwaltenden Ämter der Landeshauptstadt Dresden (37, 40, 52, 55, 65 und 70) betreuen derzeit insgesamt ca. 1.200 Objekte.
Bautechnische Einzelheiten wie das Vorhandensein einer Möglichkeit zur Notstromeinspeisung sind dabei nicht regelmäßig als Suchmerkmale ausgewiesen, weshalb der Rechercheaufwand zur Beantwortung Ihrer Frage unverhältnismäßig hoch wäre.
Im Zusammenhang mit der Katastrophenschutzplanung kann ich Ihnen jedoch mitteilen, dass in der Datenbank der Katastrophenschutzsoftware DISMA gegenwärtig 92 Objekte mit vor Ort stationär vorgehaltenem Stromerzeuger und 19 Objekte mit vorhandener Möglichkeit zur Notstromeinspeisung einschließlich deren jeweilige technische Spezifikation (CEE Stecker 32 A, 63 A, 125 A usw.) erfasst sind.