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Erste Eindrücke vom Haushaltsentwurf 2021–22: Ist ein Doppelhaushalt jetzt überhaupt sinnvoll?

Die meis­ten von uns trinken wohl zumin­d­est ab und zu mal einen Kaf­fee. Ich nehme an, dass dabei noch nie­mand wirk­lich ern­sthaft den Ver­such gemacht hat, aus dem Kaf­feesatz die Zukun­ft her­auszule­sen. Genau diesen Ein­druck gewin­nt man aber im Hin­blick auf die Wirtschafts­dat­en, die die Ver­wal­tung dem Entwurf des Dop­pel­haushalts 2021–22 zugrunde legt: Wer behauptet, mit Sicher­heit sagen zu kön­nen, wie sich sowohl unsere Wirtschaft, als auch die drauf gegrün­dete Ein­nahme- und Aus­gaben­si­t­u­a­tion der öffentlichen Haushalte in Deutsch­land in den näch­sten Jahren entwick­elt, dem unter­stelle ich an dieser Stelle also <b>Kaffeesatzleserei</b>. Nie­mand kann das sich­er sagen. Auch nicht für einen Zeitraum von zwei Jahren bis Ende 2022. Der Entwurf des Dop­pel­haushalt, der jet­zt in den Beratungskauf des Staad­trates gekom­men ist, soll bekan­ntlich gle­ich zwei Jahre, näm­lich 2021 und 2022 abdeck­en. Prinzip­iell hat die Erstel­lung eines Dop­pel­haushalts ger­ade für große Städte dur­chaus seine Vorteile, z.B. bessere Pla­nungssicher­heit, ggf. Ver­mei­dung ein­er vor­läu­fi­gen Haushalts­führung, weniger Ver­wal­tungsaufwand. Auch wir als Stad­trat haben dadurch weniger Beratungsaufwand, da wir nicht per­ma­nent in der Haushalts­diskus­sion sind, weil wir son­st jedes Jahr einen Haushalt beschließen müssten. Wer solide und ehrlich einen Haushalt auf­stelle will, der braucht dafür valide Steuer­schätzun­gen. Die haben wir gegen­wär­tig nicht. Die let­zte – vom Mai – zeigte schon deut­liche Kor­rek­turen gegenüber der vor­ange­gan­genen von Novem­ber 2019. Zwar sieht die außeror­dentliche Steuer­schätzung vom Sep­tem­ber ein wenig bess­er aus als erwartet, aber man darf nicht vergessen, dass derzeit maß­los viel Geld vom Staat in die Wirtschaft und die öffentlichen Haushalte gepumpt wird und aller­lei Vorschriften im Insol­venz–  wie im Haushalt­srecht aus­ge­set­zt oder aufgewe­icht wer­den. Alles nur, um das Schlimm­ste zu ver­hin­dern — wenig­stens bis zur Bun­destagswahl 2021?! Fest ste­ht, usner Land und unser­er Stadt kön­nen nicht für immer im Krisen­modus verbleiben. Man kann zwar viel Geld, sog­ar seht viel Geld druck­en, aber unendlich geht aus das nicht. Kurz gesagt: Früher oder später wird die Stunde der Wahrheit kom­men. Und es ist zu befürcht­en, dass das all­ge­meine Erwachen dann sehr unan­genehm wer­den kön­nen. Was passiert mit unseren städtis­chen Finanzen, wenn sich im Laufe des näch­sten Jahres zeigen sollte, dass die bish­eri­gen Prog­nosen zu opti­mistisch aus­ge­fall­en waren? Wenn die unsicher­er Rech­nung des Finanzbürg­er­meis­ters am Ende doch nicht aufge­hen wird? Ich hat­te diese Frage ja schon wieder­holt im Finan­zauss­chuss aufge­wor­fen: Es gibt keinen Plan B, jeden­fall keinen, über den man sprechen möchte. Ich habe es schon wieder­holt gesagt: Die Stil­l­le­gung unsr­er Wirtschaft war nichts anderes als eine Panikreak­tion, nach­dem trotz der drama­tis­chen Entwick­lung im Aus­land das Zeit­fen­ster für mod­er­ate, aber genau­so wirk­same Maß­nah­men ver­pen­nt wurde. Und auch die für die Wieder­bele­bung des klas­sis­chen Einzel­han­dels so schädliche Aufrechter­hal­tung der Maskenpflicht ist nicht nur über­zo­gen, son­dern eine „effek­tive“ Maß­nahme – und zwar nicht gegen das Coro­na-Virus – son­dern um ger­ade bei som­mer­lichen Tem­per­a­turen die Dres­d­ner und ihre rar gewor­de­nen Gäste von einem aus­gedehn­ten Einkaufs­bum­mel in unser­er Innen­stadt abzubrin­gen. <a href=“https://www.welt.de/wirtschaft/article208803787/Einzelhandel-Maskenpflicht-hemmt-Konsumlust-der-Deutschen.html” target=“_blank” rel=“nofollow noopener”>Umfragen bele­gen das</a>. Mit den im Haushalt­sen­twurf geplanten Gebühren­er­höhun­gen wird die Bere­itschaft der Bürg­er, wieder mehr Geld für Kon­sum auszugeben, gewiss nicht gestärkt. Beson­ders die geplanten Wuch­er-Parkge­bühren sind ger­adezu Gift für eine lebendig Innen­stadt, die Kaufkraft auch aus dem Umland und dem benacht­barten Aus­land anzieht. Im Mai wurde uns noch gesagt, man gehe bei der Wirtschaft­sen­twick­lung von einem V‑Szernario aus. Das heißt, es geht abwärts, wieder aufwärts und anschließend genau dort weit­er, wo man vorher ges­tanden hat. Auf dieser Grund­lage beruht auch der aktuell erar­beit­ete Dop­pel­haushalt für 2021/22. Mit­tler­weile zeich­net sich aber ab, dass wir wohl nicht so glatt durch die Krise kom­men wer­den. Bere­its für den Herb­st wird eine Insol­ven­zwelle ungekan­nten Aus­maßes voraus­ge­sagt. Nachricht­en über Stel­len­ab­bau und Werkss­chließun­gen sind bere­its jet­zt an den Tage­sor­d­nung. Die Wirtschaft­sex­perten sind sich über die weit­ere Entwick­lung keines­falls einig: <ul> <li>Durchlaufen wir ein <b>„U“-Szenario</b>? – D.h. die Wirtschaft bleibt länger am Boden als beim „V“?</li> <li>Durchlaufen wir ein <b>zittrigtes „W“</b>? – Eine mögliche zweite Welle mit erneuten Ein­schränkun­gen des wirtschaftlichen wie öffentlichen Lebens würde das wohl nahe leg­en. Aktuell sind schon neue Reisebeschränkun­gen für Land­kreise in der Diskussion.</li> <li>Durchlaufen wir ein <b>umgekehrtes Wurzelzeichen</b>: Also, dem Ein­bruch fol­gt eine Erhol­ung, die aber unter dem Vorkrisen-Niveau bleiben wird.</li> </ul> In der beson­deren Sit­u­a­tion der schw­er­sten Wirtschaft­skrise seit dem Ende des Zweit­en Weltkriegs müssen wir also möglichst flex­i­bel agieren kön­nen. Zwar hat uns das SMI auf der Grund­lage von § 129 Absatz 2 der Säch­sis­chen Gemein­de­ord­nung durch Erlass Erle­ichterun­gen von haushalt­srechtlichen Vor­gaben gewährt. Aber wir soll­ten das als Stadt nicht als Freib­rief ver­ste­hen, in den Zus­tand der Dauer­aus­nah­men abzu­tauchen. Per­sön­lich halte ich die Lage für schwierig, für die Zukun­ft höchst unsich­er, aber zum gegen­wär­ti­gen Zeit­punkt noch für beherrschbar. Falsch wäre es auch, auf eigenes, aktives Gestal­ten in der Krise zu verzichtet und darauf zu hof­fen, dass der Freis­taat und der Bund im Not­fall uns schon mit einem neuer­lichen war­men Gel­dregen ret­ten wer­den. Eine Abkehr vom Dop­pel­haushalt für die näch­sten zwei Jahre wäre also die beste Lösung. Der Stad­trat sollte einen einiger­maßen ehrlichen, serösen Haushalt­s­plan beschließen. Unser Antrag auf Vor­lage eines Ein­jahres-Haushalts ist lei­der dem Ver­schiebe-Bahn­hof des Stad­trates zum Opfer gefall­en, der eine Rei­he von Ver­wal­tungsvor­la­gen und Anträ­gen der Frak­tion schon seit Monat­en auf Dauerverta­gung geset­zt hat. Die Idee, die dahin­ter ste­ht, hat trotz­dem nichts von ihrer Richtigkeit ver­loren. &nbsp;