Wahlen

Betreutes Denken? — Betreutes Wählen? — Betreute Demokratie?

Diese Ver­suchung ist so alt wie die Demokratie selb­st. Seit der Etablierung von Wahlen und Abstim­mungen als Mit­tel der poli­tis­chen Entschei­dungs­find­ung, ist immer wieder ver­sucht wor­den, für das “richtige” Ergeb­nis zu sor­gen. Sprich: der Wäh­ler­wille wurde mit mehr oder weniger unlauteren Mit­teln zum gewün­scht­en Ergeb­nis geführt.

So wur­den die Stim­men der Kur­fürsten bei der Kaiser­wahl im Heili­gen Römis­chen Reich Deutsch­er Nation eben­so gekauft, sie die der Kardinäle im Kon­klave bei der Papst­wahl. Mit dem demokratis­ch­er Ele­mente des Par­la­men­taris­mus im 19. Jahrhun­dert, legten die deutschen Lan­des­fürsten mit Vor­liebe Hand ans Wahlrecht: So soll­ten mögliche “Falschwäh­ler” — das waren damals vor allem Sozialdemokrat­en — erst gar nicht zur Wahl zuge­lassen wer­den bzw. ihren Stim­men durch Stim­mengewich­tung und Wahlkreiszuschnitt der Ein­fluss auf das Wahlergeb­nis genom­men wer­den (Stich­wort: Drei-Klassen-Wahlrecht).

Schließlich wurde dem poli­tis­chen Geg­n­er in der Auseinan­der­set­zun­gen in den 1930er Jahren mas­sive kör­per­liche Gewalt ange­tan. Die Saalschlacht­en zwis­chen Nazis und Kom­mu­nis­ten in dieser Zeit ende­ten nicht sel­ten mit Wir waren davon aus­ge­gan­gen, dass sie diese For­men der Wäh­ler­s­teuerung mit dem Ende des Kaiser­re­ich­es, spätestens aber mit der Ein­führung des Grundge­set­zes und sein­er Ausweitung auf Mit­teldeutsch­land, erledigt hät­ten.

Wir waren davon aus­ge­gan­gen, dass wir uns ab dem Jahre 1989 nur noch mit den für west­liche Demokra­tien sys­temim­ma­nen­ten psy­chol­o­gis­chen Kam­pag­nen, Niederträchtigkeit­en, leeren Wahlver­sprechen und Wahllü­gen zu befassen hät­ten. Doch der Siegeszug der AfD durch die deutschen Par­la­mente sorgt mit­tler­weile für ein recht beängsti­gen­des Déjà-vu-Erleb­nis. Kurz nach der Europawahl wurde angesichts der ver­meintlich “falschen” Wahlentschei­dung älter­er Wäh­ler wieder ein­mal — dies­mal von der “TAZ” — die Forderung erhoben, den allein schon auf­grund ihres Alters  für inkom­pe­tent erk­lärten 60-Jähri­gen das Wahlrecht zu entziehen:

“Was wir brauchen, ist eine Epis­tokratie der Jugend: das Wahlal­ter her­ab­senken und nach oben begren­zen – oder zumin­d­est deut­liche Anreize dafür set­zen, die eigene Stimme an Jün­gere zu delegieren. Zuge­spitzt hieße das, Unschuldige vor ein­er in fun­da­men­tal­en Fra­gen inkom­pe­ten­ten Wäh­lerk­lien­tel zu schützen. Das kann man jet­zt demokratiefeindlich find­en, ich finde es nur vernün­ftig, sich darüber zumin­d­est mal Gedanken zu machen.”

Dass dann zugle­ich noch das Wahlal­ter her­abge­senkt wer­den soll, ist nur kon­se­quent: Erfahrungs­gemäß kon­nten sich die noch wenig Lebenser­fahre­nen meist noch nicht vom viel zu oft links-grün-betreuten Vor­denken ihrer Erzieher und Lehrer emanzip­ieren. Der essen­tielle Denkanstoß, den die Erfahrung der alleini­gen Ver­ant­wor­tung für Fam­i­lie und Berufs-/Er­werb­sleben geben kann, ist ihnen an Mamas Küchen­tisch bis­lang erspart geblieben. Schlägt die Real­ität des Lebens irgend­wann knall­hart zu, kann sie eine tief­greifende Verän­derung der poli­tis­che Welt­sicht her­vor­rufen. Doch bis dahin gilt die Ablehnung ele­mentar­er Bestandteile unser­er Demokratie halt als “nur vernün­ftig”. 

Realpoli­tisch wie ver­fas­sungsrechtlich betra­chtet, dürfte das Ansin­nen kaum in die Tat umzuset­zen sein. Aber das gilt für linke Hirnge­spin­ste so gut wie immer. Andere Bestre­bun­gen, den Wäh­ler das Kreuz an der “richti­gen” — doch wenig­stens auf keinen Fall an der “falschen” — Stelle machen zu lassen, sind weitaus gefährlich­er. So hat der Ver­such, etwaige poli­tis­che Ein­flussnahme im Vor­feld der Europawahl bei Twit­ter zu unterbinden let­ztlich dazu geführt, dass auch eine gewisse Staatssekretärin namens Sawsan Chebli ges­per­rt wurde. Selb­st Overblock­ing kann skur­rile Züge annehmen und poli­tisch nach hin­ten los­ge­hen.

Auch eine Rei­he von inter­na­tion­al täti­gen Konz­er­nen sah ihre poli­tis­chen Felle mit den Wäh­ler­stim­men wegschwim­men und legte daher eigene Kam­pag­nen zur Europawahl auf. Sie reicht­en von Aufrufen, über­haupt wählen zu gehen über Pro-EU-Kam­pag­nen bis zu Beken­nt­nis­sen “gegen rechts und Nation­al­is­mus”.

Wenn sich am kom­menden Woch­enende Sebas­t­ian Wip­pel von der AfD mit guten Chan­cen der Stich­wahl um das Amt des Gör­l­itzer Ober­bürg­er­meis­ters stellt, tut er dass nicht ohne Ein­mis­chung aus dem fer­nen Hol­ly­wood!!! In einem offe­nen Brief fordern ganze 14 Film­leute die Gör­l­itzer dazu auf, nicht nur “weise” zu wählen, son­dern auch “Hass und Feind­seligkeit, Zwi­etra­cht und Aus­gren­zung“ eine Absage zu erteilen.

Welche Wahlentschei­dung im konkreten Fall aber wirk­lich weise ist, ste­ht auf einem anderen Blatt. Rot-rot-grün-schwarz-gelbe Ver­hin­derungsmehrheit­en wer­den kaum in der Lage sein, eine Stadt wie Gör­litz zu regieren und die ganz konkreten Prob­leme der Bürg­er zu lösen. Nun haben auch Sen­at, Rek­torat und Per­son­al­rat der TU Dres­den ihren Hut in den Ring des Land­tagswahlkampfs gewor­fen. Obwohl mit den Steuern aller Bürg­er gle­icher­maßen finanziert, wird eine recht ein­deutige poli­tis­che Posi­tion­ierung ver­sucht, die in Wahrheit eine halt­lose Unter­stel­lung ist:

”…lassen Sie nicht zu, dass die Frei­heit der Mei­n­ung, der Wis­senschaft, der Kun­st und der Medi­en eingeschränkt wird! Ver­hin­dern Sie, dass Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gefährdet wer­den!”

Welche poli­tis­che Partei in diesem Land sägt denn an Wissenschafts‑, Meinungs‑, Kun­st- und Presse­frei­heit oder an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit? Kön­nten diese Worte nicht vielmehr als Auf­forderung gele­sen wer­den, ger­ade deswe­gen AfD zu wählen? Hat sich hier nicht der ver­meintliche Gärt­ner ein­mal mehr als Bock offen­bar?